Analyse

Gang

Die Ganganalyse ist ein Verfahren zur Beurteilung und Untersuchung der Art und Weise, wie eine Person geht oder läuft. Sie ist eine spezielle Form der Bewegungsanalyse und liefert wichtige Hinweise auf mögliche Hink Mechanismen oder andere Störungen der Bewegungsmuster Gehen und Laufen

Analyse

Gang

Die Ganganalyse wird bei uns sowohl analog als auch digital aufgezeichnet.

Analog bedeutet, dass wir das Gehen videographisch aufzeichnen und so die 1 : 1 Bewegung des Menschen sehen.

Digital bedeutet, dass wir mit einem Messgerat sämtliche Gangparameter aufzeichnen und so reproduzierbare Informationen haben.

 

Was sagt uns die Gang-Analyse?

Das Gehen ist die charakteristische Fortbewegungsart des Menschen und einmalig in seiner Art. Das optimale Gehen äussert sich in einer Leichtfüssigkeit und Elastizität des gesamten in sich schwingungsfähigen und beweglichen Körpers.  So kann die normale immer stattfindende Bodenreaktionskraft in der ganzen Gelenk- und Muskelkette bis zum Kopf ökonomisch abgeleitet werden.

Beim unökonomischen Gehen wirkt sich der Kraftfluss in dieser Gelenk- und Muskelkette negativ im Sinne einer Überlastung der dämpfenden und stabilisierenden Strukturen aus und kann so zu einer Überbeanspruchung der Gelenke, Muskeln und Bänder führen, was zusätzlich das Risiko von Verletzungen wie Knöchelverstauchungen, Knieproblemen, Schienbeinschmerzen und anderen muskuloskelettalen Verletzungen erhöhen kann oder deren Ursache ist. Sogar Rücken und Nackenschmerzen können die Folge sein.

Die Ganganalyse ermöglicht uns die genaue Analyse der Gehbewegung und das Erkennen der Ursachen und Zusammenhänge von Schmerzen.

Beschreibung

Details zur Gang-Analyse

Gehenanalyse analog

Bei der analogen Ganganalyse filmen wir unsere Patienten mit speziellen Kameras beim «normalen» Gehen auf ebener Strecke und auf dem Laufband. Das «normale Gehen» ist für die meisten Menschen einfacher, da man auf gewohntem Terrain geht. Das Gehen auf dem Laufband ist für die meisten Menschen schwierig, weil sich der «Boden» unter einem wegbewegt.

Die Videos werden mit verschiedenen Software-Programmen ausgewertet. Wichtig dabei ist für uns der Aspekt der Dokumentation und der Visualisierung. Wie schon bei der Körperhaltungsanalyse sind den meisten Menschen deren Ganggewohnheiten nicht bewusst, so dass Hink-Mechanismen kaum je bemerkt werden.

Werden diese jedoch durch solche Aufnahmen visualisiert, kann eine systematische Korrektur je nach Ursache des Hinkens, systematisch aufgebaut werden.

Gang-Analyse – manuell

Bei dieser Patientin kann man erkennen, dass das Becken auf ihrem rechten Standbein nach links unten kippt und sich der Oberkörper kompensatorisch zur Gleichgewichtserhaltung auf die rechte Seite neigt.

Dies ist die Folge einer kompletten Lähmung der seitlichen Hüftmuskulatur.

Im Vergleich dazu, kann das Becken auf der linken Standbeinseite muskulär gehalten werden.

Standbein Rechts
Standbein Links

Die Folge dieser Schwäche der seitlichen Hüftmuskulatur ist eine Überlastung der das Becken mit dem Bein verbindenden Muskulatur und Sehnen, weil diese einer erhöhten Zugbeanspruchung ausgesetzt sind.

Wie bei einem Kran, muss das Becken seitlich am Bein fixiert werden, damit es nicht abkippen kann und wie beim Kran verläuft die Verspannung bis zum Boden, bis zum Fuss.

Im gezeigten Fall litt die Patientin an genau diesen Beschwerden, an Schmerzen der gedehnten Hüftmuskulatur, an seitlichen Oberschenkelschmerzen, an seitlichen Knieschmerzen und an seitlichen Unterschenkelschmerzen.

Die Knieschmerzen waren der Grund für den Arztbesuch, wobei diesem, einem orthopädischen Chirurgen, diese biomechanischen Zusammenhänge nicht klar waren.

Fixierung Becken

Der gezeigte Hink Mechanismus der Patientin wird in der medizinischen Nomenklatur als Trendelenburg Zeichen bezeichnet. In diesem sehr anschaulichen Erklärvideo der Florida State University (in englischer Sprache) wird dieser erklärt.

Manchmal ist der Sprachgebrauch bei der Beschreibung dieses Hink Mechanismus nicht eindeutig, weil es historisch gesehen, zwei Beschreibungen davon gibt. Die eine von G.B.A. Duchenne de Boulogne 1885 und zehn Jahre später eben diejenige von F. Trendelenburg.

Deshalb wurden im folgenden Aufsatz die Originalarbeiten der beiden Erstbeschreiber dieses Hink Mechanismus untersucht und mit neueren Arbeiten verglichen und analysiert.

Gang-Analyse – Laufband

Der Vorteil der Aufzeichnung auf dem Laufband besteht darin, dass die Person immer den gleichen Abstand zur Kamera hat und die Geschwindigkeit stufenlos verändert werden kann.

Die Analyse ist dann um einiges genauer als auf dem Boden.

Der Raster im Hintergrund dient als klares Bezugssystem der Raumrichtungen.

In der Ansicht von vorne wird die Ausrichtung der Füsse und der Beine – die sogenannte Beinachse – beurteilt.

Mit einer speziellen Software können wir – während dem Gehen – die Winkel zwischen Fuss und Unterschenkel bestimmen, um so Fehlbewegungen in den Sprunggelenken zu erkennen:

Bei der analogen Ganganalyse werden bei unseren Messungen die drei Hauptgangphasen untersucht:

  1. die Loading response
  2. der Stance (mid stance)
  3. der Preswing
Loading response

Loading response

Mid stance

Mid stance

Pre swing

Pre swing

Die gesamte Gangzyklus der so genannten Standphase des Beines besteht aus:

dem Initial contact (0% Gangzyklus) – der Loading response (0-12 % Gangzyklus) – dem Mid stance (12-31 % Gangzyklus) – dem Terminal stance (31 – 50% Gangzyklus) und dem Preswing (50 – 62% Gangzyklus).

Phase1
Phase2
Phase3

Loading response

In dieser Phase erfolgt die Gewichtsübernahme des Körpergewichts durch das Standbein. Die gegenwirkende Bodenreaktionskraft muss über die Fuss- und Beingelenke sowie über die überbrückende Muskulatur abgefedert, gedämpft werden.

Gemessen wird in dieser Phase die Relativbewegung des Fersenbeins zum Unterschenkel im unteren Sprunggelenk

Stance – Midstance

Das Charakteristikum dieser Phase ist, dass nun das ganze Körpergewicht vom gestreckten Bein getragen wird und sämtliche Gelenke muskulär stabilisiert werden müssen. Die Stabilisation der beiden Sprunggelenke gibt Auskunft über deren Beanspruchung und weiterlaufend über diejenige des Knie- und Hüftgelenks.

Wird der ganze Körper videographisch dargestellt, wie man das weiter oben sehen kann, kann der ganze Kraftfluss der Bodenreaktionskraft durch die gesamte Gelenk- und Muskelkette analysiert werden.

Preswing

Diese Phase bereitet die Ablösung des Fusses vom Boden vor. Diese Phase wird auch als Abdruck- oder Push-off Phase bezeichnet, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Körper nach vorne beschleunigt wird.

In unserer Messung interessiert wieder die Gelenkstellung der Sprunggelenke, über welche deren optimale Belastung oder eben Überbelastung abgeleitet werden kann.

Gang-Analyse digital

Der G-Walk Sensor ist – wie hier im Video gezeigt – ein tragbares System zur Bewegungsanalyse. Es besteht aus einem kleinen Sensor, der am unteren Rücken des Patienten befestigt wird und verschiedene Bewegungsparameter erfasst.

Der G-Walk Sensor verwendet eine Technologie namens inertiale Messungseinheit (IMU), die Beschleunigungsmesser, Gyroskope und manchmal auch Magnetometer umfasst, um Geschwindigkeit, Ausrichtung und Schwerkraft zu messen. Dies ermöglicht es, Daten über Gangeigenschaften wie Schrittlänge, Ganggeschwindigkeit, Gangsymmetrie und andere Bewegungsmerkmale zu erfassen.

Beispiel einer kompletten Messung – analog

Bei diesem Fall interessierte uns die Stabilität des Beckens auf dem linken Standbein, weshalb hier nur die mittlere STB-Phase abgebildet ist. Idealerweise müsste das Becken durch eine andere Bekleidung besser sichtbar sein, aber für diesen Zweck war das mit der Ergänzung der digitalen Aufzeichnung ausreichend.

Wir filmen die Patienten auf einer Gehstrecke von 8 Metern von hinten und von vorne, so dass eine normale Gehgeschwindigkeit entstehen kann. Mit der Software, welche die Aufzeichnung macht, kann jede Gangphase detailliert dargestellt werden.

Die Kamera ist fest an der Wand montiert und die Aufnahmen dauern nur wenige Minuten.

Für eine erste, klinische Beurteilung genügen diese Aufnahmen meistens und zur Visualisierung sind sie besser geeignet als die rein digitale Aufzeichnung der Gangparameter.

Mittlere Standbeinphase links von ventral und dorsal

Dabei werden

  • die Orientierung der funktionellen Fusslängsachse (FFL) im Raum,
  • die gesamte Beinachse (BA) und
  • die Beckenbewegungen in allen drei Bewegungsebenen

untersucht.

Vorderansicht
Rückansicht

Auffallend ist die Medial Rotation des Beines – Orientierung der Patella/Patellalot, welche zur leichten Medialisierung der FFL führt (Norm: 11° Divergenz). Die BA ist orthograd. Die Beckenstellung kann wegen der Kleidung nicht schlüssig beurteilt werden. Dies wird in der digitalen Aufzeichnung deutlich.

Beispiel einer kompletten Messung – digital

Gangphasen

Walk Quality Index (WQI)

Dieser Indikator zeigt die Fähigkeit des Patienten den Gangzyklus in 2 verschiedene Phasen zu teilen.

Es wird zwischen links und rechts unterschieden. Beträgt

der WQI genau 100%, teilt sich der Gangzyklus genau in 60% Standphase und 40% Schwungphase. Werte über 90% gelten als physio-logisch.

QI Linker Schritt
QI Rechter Schritt
  • Standphase: Prozentualer Durchschnittwert der linken/rechten Standphase
  • Schwungphase: Prozentualer Durchschnittwert der linken/rechten Standphase
  • Doppelstandphase (DS): Prozentualer Durchschnittwert der linken/rechten DS
  • Einzelstandphase (SS): Prozentualer Durchschnittwert der linken/rechten SS

Werte ausserhalb der „Norm“ werden rot dargestellt.

Räumlich-zeitliche Parameter

Räumlich-zeitliche Parameter

Die Kadenz der Schritte liegt leicht unterhalb dem Normalwert.

Symmetrie- und
Beschleunigungs-Index

Dieser Parameter liefert Informationen zur allg. Gangsymmetrie des Patienten.

Im Speziellen zeigt dieser Index die Fähigkeit des Patienten seinen Körperschwerpunkt beidseitig konstant zu beschleunigen.

Je höher dieser Wert ist, desto höher ist die Beschleunigung während der Einzelstandphase (SS).

Antrieb/Beschleunigungsindex

Dieser Index beschreibt die Fähigkeit den Masseschwerpunkt („center of Mass) kontrolliert abzubremsen, das Körpergewicht zu verlagern und anschliessend wieder gezielt zu beschleunigen. Je höher dieser Wert ist, desto höher ist die Beschleunigung während der Einzelstandphase (SS).

Symmetrie-Index

Beckenwinkel

Die Durchschnittswerte der Beckenwinkel in den drei Hauptebenen sind in drei Graphen einzeln abgetragen:

  • Die Sagittalebene beschreibt die Beckenkippung nach vorne und hinten
  • Die Frontalebene beschreibt die Beckenneigung nach links und rechts
  • Die Transversalebenen beschreibt die Beckenrotation

In jedem Graphen sind die zwei Kurven des linken und rechten Gangzyklus übereinandergelegt. So kann eine unmittelbare Bewertung der Bewegungssymmetrie erfolgen.

Rechts neben dem jeweiligen Graphen findet sich

  • eine Zusammenfassung über den Symmetrie-Index,
  • die minimalen und maximalen Winkelwerte und
  • das Bewegungsausmass.

Die vertikale Linie in jedem Diagramm steht für einen Gangzyklus. Die Linie trennt Stand- und Schwungphase des jeweiligen Beins

Sagittalebene

Die positiven Werte beschreiben die Kippung des Beckens nach anterior, die negativen die Kippung nach posterior.

Kippung

Während des ganzen Gangzyklus bleibt das Becken tendenziell nach anterior gekippt, ist aber links/rechts relativ symmetrisch und befindet sich noch immer im Referenzbereich.

Frontalebene

Die positiven Werte beschreiben die Kippung des Beckens nach oben, die negativen die Kippung nach unten

Absenkung

In der linken Standbeinphase (rot) sinkt das Becken links mehr nach rechts ab als links (Becken geht links nach oben = rechts nach unten), was gegenüber rechts für eine geringere abduktorische Verankerung spricht. Dadurch wird die laterale Zuggurtung des Tractus iliotibialis möglich-erweise mehr bis überbeansprucht.

Transversalebene

Die positiven Werte beschreiben die Rotation des Beckens nach aussen (dorsal), die negativen die Rotation nach innen (medial).

Rotation

Die linken und rechten Beckenrotationen sind ziemlich ausgeglichen. Der Übergang in der mittleren Standbeinphase (ca. 30%) von Becken nach medial zeigend zu nach aussen drehend, liegt ebenfalls im Normalbereich. Wäre die Innenrotation im linken Standbein Hüftgelenk bei diesen 30° zu 60° eingeschränkt, würde das linke Becken weniger nach aussen drehen, was aber nicht der Fall ist. Die Medial Rotation des linken Standbeines in der mittleren Standbeinphase lässt sich also nicht durch eine Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk erklären